Geschichte

Die Gründungsgeschichte des WAC

(gewidmet anlässlich des 50 jährigen Bestehens geschrieben von Friedrich Burger)

Es war im September 1896 nach den ersten Olympischen Spielen, die in Athen stattgefunden hatten, als einer der Wiener Schwimmer, die bei den Spielen sich mit Erfolg hervorgetan, mir Wunderdinge erzählte von dem, was er in Athen erlebt hatte, und von dem, was er von den Amerikanern, die in Athen den Rahm abgeschöpft hatten, über das großartige Sportleben in den Vereinigten Staaten erfahren hatte.

War es da ein Wunder, dass mich als jungen Redakteur der Wiener “Allgemeinen Sport-Zeitung“ diese Schilderungen in Begeisterung versetzten und dass ich sofort versprach, alles zu tun zu wollen, damit der von dem Erzähler ausgesprochene Wunsch, auch in Wien möge der Körpersport – damals sagte man einfach nach dem Vorbild der Amerikaner die “Athletik“ – Eingang finde.

Der Plan, einen “Athletik-Klub“ nach amerikanischem Vorbild zu gründen, war rasch und leicht gefasst, aber wie konnte er verwirklicht werden, besonders in Wien, wo man den Sport abgesehen von den Pferderennen, ganz fremd gegenüberstand und Neuerungen es an und für sich überaus schwer hatten, sich durchzusetzen?

Nun fügte es der Zufall, dass zwei meiner Freunde von damals – lange deckt sie schon der Rasen – begeisterte Anhänger von Schwergewichtsübungen und fleißige Besucher der Schule des damaligen Schwergewichtsmeisters im Gewichtsheben und Ringen, Georg Jagendorfer, waren.

Die beiden, die zu den “oberen Zehntausend“ Wiens zählten, waren auch bald Feuer und Flamme für mein Projekt, sie warben dafür in ihren Kreisen, ich tat das gleiche unter den Presseleuten, der Schwimmer unter seinen Freunden. Und so waren wir im November 1896 so weit, dass wir den neuen Klub gründen konnten, der auf den ersten Anhieb 26 Mitglieder zählte und nach langen Debatten den etwas langatmigen Namen “Wiener Athletiksport Club“ erhielt.

Der neue Klub war gegründet, aber wie er sich betätigen sollte, darüber herrschte zunächst noch wenig Klarheit. Eines unserer Mitglieder hatte uns vom Fürsten Auersperg die Erlaubnis verschafft, für unsere Übungen die Reitschule im Palais Auersperg benützen zu dürfen.

Als der erste Abend, der für die Übungen angesetzt war, herangekommen war, hatten sich zwar alle Mitglieder in der Reitschule eingefunden, aber sie standen zwecklos herum und niemand wusste eigentlich, wie man die Anwesenden beschäftigen könne. Da kamen zwei junge Engländer, die sich dem Klub angeschlossen hatten, auf eine Idee, zunächst Wettläufe um die Bahn, dann mit Hilfe einiger Hürden, die sie in einer Ecke fanden, Hochspringen und dann Weitspringen zu veranstalten. Ein paar jüngere Mitglieder taten zwar mit, aber Anklang fand die Sache nicht und es war klar, dass die neue Vereinigung wieder auseinanderlaufen würde, wenn man sie nicht anders in Szene setzen konnte.

Ich war damals jung und, was bei jungen Wienern öfters vorgekommen sein soll, auch ziemlich leichtsinnig oder, etwas wohlwollender ausgedrückt, reichlich optimistisch. Ich ließ mir vom Vorstand Vollmacht geben, die Sache so aufzuziehen, wie ich sie mir vorstellte. Ich war mir darüber klar, dass in Wien nur eine Sache Erfolg haben kann, die mit einem gewissen “Schmiss“ aufgezogen und herausgebracht wird. Ich suchte also zunächst ein geeignetes Übungslokal und fand es in einer Ecke des neuen Marktes – dass es direkt gegenüber der Kaisergruft in der Kapuzinerkirche lag, darin sah ich weder ein gutes noch ein böses Omen.

Dann ging ich in ein Möbelgeschäft und kaufte die notwendigen Einrichtungsgegenstände und ließ durch die Firma das Lokal entsprechend herrichten. Dass auf den Kaufpreis für die Möbel, die rund 2400 Gulden kosteten, monatlich 200 Gulden abzuzahlen waren, darüber machte ich mir ebenso wenig Gedanken wie darüber, wo der Mietzins herkommen sollte, der ebenfalls monatlich 200 Gulden betrug. In der Kasse befanden sich, nebenbei bemerkt, ganze 80 Gulden, und aus den Mitgliederbeiträgen konnten wir einstweilen nur auf 52 Gulden monatlich rechnen, vorausgesetzt, dass alle Mitglieder pünktlich zahlen.

Trotzdem ging ich unbedenklich noch eine dritte Verpflichtung für den Klub ein, allerdings eine, von der ich mir die Grundlage für das Gedeihen des Klubs versprach. In Wien war nämlich damals der berühmte italienische Fechtlehrer Cav. Barbasetti tätig, der zwar schon Fechtlehrer an dem hoch feudalen und überaus exklusiven “Union-Fecht-Club“ war, trotzdem aber sich bereit erklärte, bei uns eine Fechtabteilung aufzuziehen, von der man einen raschen Aufschwung mit Recht erwarten durfte, weil für Fechten infolge des Vorbildes des Union-Fecht-Clubs damals in Wien lebhaftes Interesse bestand. Da Barbasetti ein Honorar von 200 Gulden monatlich verlangte, hatte ich die Klubfinanzen mit einer Monatsausgabe von 600 Gulden belastet, alles das bei einem Einnahmen-Etat von 52 Gulden monatlich! Wenn ich heute darüber nachdenke, erscheint mir mein Vorgehen einfach unverantwortlich, aber damals dachte ich : “Es wird schon gehen.“

Und es ging. Gleich der Eröffnungsabend vor geladenen Gästen – vorgeführt werden konnten allerdings nur Fechten durch Schüler Barbasettis sowie Schwergewichtsübungen und Ringen durch Schüler Jagendorfers – war ein voller Erfolg. Die Erschienenen traten dem Klub bei und warben in der Folge so eifrig unter ihren Freunden und Bekannten, dass nicht nur die Mitgliederzahl von Woche zu Woche stieg, sondern uns auch verschiedene Geldzuwendungen gemacht wurden.

Damit war zwar der Klub gegründet und auf eine annehmbare Basis gestellt, aber von dem Zwecke, der seinen Gründern vorschwebt, war es noch weit entfernt. Durch den ersten Erfolg kühn gemacht, ließ ich wiederum meinen Optimismus, oder ehrlich gesagt, meinem Leichtsinn freien Lauf. Wir mussten einen Sportplatz haben und der konnte, um für alle leicht erreichbar zu sein nur im Prater liegen. Ich machte mich also auf die Suche und fand bald eine hervorragend geeignete Wiese, die Wiese, die heute noch der WAC-Platz ist. Da der Prater damals Eigentum des Kaisers war und ich einen guten Freund im Obersthofmeisteramt besaß, war der WAC bald im Besitz eines Pachtvertrages, der dem Klub lediglich eine “Anerkennungs-gebühr“ von 5 Dukaten und Ablieferung des geernteten Heues an das Prater-Inspektorrat als Pacht auferlegte.

Der Platz war nun da, aber wer baut hin? Und mit welchem Geld? Wiederum half mir der Zufall. Ich erfuhr, dass unter den Besuchern der Schule Jagendorfer sich ein in Wien sehr bekannter Architekt befand. Ohne ihn zu kennen, suchte ich Herrn August Kupka auf, erzählte ihm von dem neuen Klub, von dem er übrigens schon gehört hatte, teilte ihm mit, dass wir einen Platz im Prater bekommen hätten, und fragte ihn, ob er uns nicht einen Platz anlegen und selbstverständlich ein Klubhaus darauf bauen wolle.

In einer langen Unterredung wurde der Grundriss festgelegt und dann kam die von mir gefürchtete Frage : “Verfügen sie auch über die notwendigen Mittel, um diese Anlage zu schaffen, die immerhin nicht weniger als 36.000 Gulden kosten wird ?“Ich bin zwar nicht vom Stuhle gefallen, aber das Herz ist mir etwas tiefer gerutscht. Trotzdem antwortete ich dreist und gottesfürchtig : “Könnte man es nicht so machen, dass sie uns die Baukosten stunden und wir sie allmählich abbezahlen ?“ Und dann kam die Antwort Kupkas, die mein Herz sofort wieder auf den alten Platz beförderte : “Das wäre zu machen, wenn mir der Klub die Leitung überträgt, damit ich auf die Geschäftsgebarung den nötigen Einfluss habe.“ Soll ich erst noch versichern, dass nicht bloß ich, sondern der ganze Vorstand mit Wonnen auf Kupkas Vorschlag einging?

Jetzt war auch der Platz da. Und bald entstanden auf ihm ein Fußballfeld mit einer Laufbahn herum, vier Tennisplätze und das Klubhaus, dass ja heute noch besteht, wenn es auch wiederholt erweitert worden ist.

Nun aber hieß es, auch Leben auf dem neuen Platz zu sorgen. Auf meiner Platzsuche im Prater war ich auf eine Wiese gekommen, die, im Innenraum der Radrennbahn gelegen, einem aus Engländern bestehenden Verein “Vienna Cricket- und Football-Club“ als Übungsstätte diente. Es war das erstemal, dass ich ein Fußballspiel sah, ich war mir aber über den sportlichen und erzieherischen Wert dieses Spiels sofort klar, machte in der “Allgemeinen Sport-Zeitung“ dafür Propaganda und stellte auch im WAC den Antrag, den Fußballsport aufzunehmen. Der Gedanke fand Anklang.

Zunächst schlossen wir mit den Cricketern ein Abkomme, dass diejenigen Mitglieder, die auch dem WAC angehörten, bei uns Fußball spielen durften, dann ging´s auf die Suche nach geeigneten Mitgliedern. Ich entdeckte bald, dass im Prater auch auf anderen Wiesen Fußball gespielt wurde, und fand da Spieler, die selbst für den Laien erkenntlich allen ihren Mitspielern turmhoch überlegen waren.

Der eine war ein langer Irländer namens Flavin, den die begeisterten jugendlichen Zuschauer stets in einem förmlichen Triumphzug zum Umkleidelokal begleiteten. Der andere war ein junger Wiener Maler, der sich, da damals in Wien Englisch trumpf war, “John Mac“ Leuthe nannte – es war der später wohlbekannte, famose Zeichner und Sportschriftsteller J. M. Leuthe. Die beiden wurden in den Klub geholt, sie brachten bald fußballbegeisterte Freunde und damit war der Kern der später so berühmten WAC-Mannschaft geschaffen.

An die Aufnahme Leuthes knüpft sich für mich übrigens eine heitere Erinnerung. Als ich vorschlug, Leuthe in den Klub aufzunehmen, sagte ein gräfliches Mitglied des Vorstandes ganz entgeistert : “Ja wir können doch keine Schildermaler in den Klub aufnehmen !“ Als ich ihm aber erwiderte : “Warum nicht ? Wenn sie ihn auf dem Platz treffen werden, wird er als der Jüngere grüßen und sie werden huldvoll sagen : Tag, lieber Leuthe ! Das ist alles.“ Darauf zog der Graf seinen Einspruch zurück.

Als dann infolge von Zwistigkeiten im Wiener Amateur-Schwimm-Club eine ganze Gruppe von dessen Mitgliedern geschlossen zu uns übertrat, hatte der WAC schon im zweiten Jahr seines Bestehens folgende Abteilungen : Fechten, Ringen, Schwerathletik, Fußball, Leichtathletik, Schwimmen und Tennis. Und seinen ersten großen Tag erlebten Klub und Sportplatz zu Ostern 1898, als es uns gelungen war, eine Oxforder Studenten-Mannschaft für ein Spiel gegen unsere Mannschaft zu verpflichten. Da wir uns darüber klar waren , dass es sich nur um ein Lehrspiel handle, hatte ich mit dem englischen Kapitän vereinbart, dass die Engländer ohne Rücksicht auf die Torzahl eine Demonstration des Fußballs vorführen, aber unsere Mannschaft wenigstens ein Ehrentor machen lassen sollten. Die Engländer führten auch tatsächlich ein bildschönes Lehrspiel vor, machten dabei Tor um Tor, und als sie das Dutzend voll hatten, gaben sie sich Mühe auch unserer Mannschaft das Vorhaben eines Torschusses zu gönnen. Aber alles war umsonst, das Ehrentor gelang und gelang nicht.

Das ist die Gründungsgeschichte des WAC, vielleicht wert, dass man sie nicht ganz der Vergangenheit anheimfallen lässt. Ich habe sie aber nicht erzählt, um zur Nachahmung zu reizen. Diese Art einen Klub zu gründen ist mein Patent.

(Friedrich Burger schilderte die Gründung des WAC im Jahre 1946)

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